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Was andere auf den Müll werfen, ist für Heinz Soucek ein kostbarer
Rohstoff. Der Aktionskünstler gestaltet Skulpturen und Bilder
aus Blechbüchsen. Zu seinen liebsten Motiven gehören Kathedralen.
Die Original-Vorbilder in Freiburg, Straßburg, Speyer und Köln
hat er inzwischen schon zu Dosen-Domen verarbeitet.
Wer Soucek in seiner Werkstatt besucht, wird von Glanz und Glitzer
geblendet. Die Räume sind überladen von den Arbeiten der vergangenen
Jahre, und er ist stolz auf jedes seiner Bilder. Alle haben ihre eigene
Geschichte. Das fängt schon bei der Materialbeschaffung an. So stammen
80 Prozent der Dosen aus dem Freiburger Colombipark, ein Anziehungspunkt
nicht nur für Touristen, sondern vor allem für junge Drogenabhängige.
Viele Betroffene kennt Soucek inzwischen mit Namen und die, die ihn kennen,
helfen ihm eifrig beim Dosen sammeln.
Die Idee für die „neue Kunst" kam dem 60-jährigen Künstler,
als die Tour de France durch Freiburg rollte und Unmengen von Getränkedosen
weggeworfen wurden. „Überall sah ich sie liegen, in Hecken, auf Wegen,
in den Mülleimern; bunte Dosen - bunt wie das Leben." Beim ersten
Versuch fertigte Soucek aus den zerquetschten Dosen ein Bild. „Es war nett
und farbig, aber eigentlich wollte ich etwas anderes." Soucek fing an,
die leeren Behälter zu zerschneiden, sortierte sie nach Farben, Symbolen
und Metaphern und fügte sie zu einem neuen Kunstwerk zusammen. Diese
Technik - eine Urform der klassischen Moderne - wurde von Pablo Picasso
Anfang des 20. Jahrhunderts erfunden. Von Soucek umgesetzt mit vielen tausend
„Dosenschnipseln" entstehen durch diese Technik wahre Meisterwerke der
Collage. Hunderte von Dosen und Tausende von Nägeln oder Klebstoff
benötigt der Künstler für ein Bild. Jedes Bild erfordert
zwischen 80 und 150 Stunden Arbeit, um die Teile zusammenzusetzen, zu kleben,
zu schichten oder zu tackern.
Die Motive sind mannigfaltig und völlig neu in ihrer Art. Verschmolzen
zu einem Gesamteffekt zeigen die fertigen Skulpturen etwa die Sky-Line
von Sydney oder New-York. Selbst den Petersdom gibt es bereits als „Dosenwerk".
Die ungewöhnliche, aber dennoch harmonische Farbzusammensetzung verleiht
den großformatigen Bildern eine besondere, ganz eigene Ausstrahlung
- beispielsweise ein Werk, das einen Ausschnitt des berühmten Isenheimer
Altars von Matthias Grünewald in Colmar zeigt. Ganz wie bei den Bildern
von Claude Monet, die aus der Nähe betrachtet grobe Pinselstriche
zeigen, verschwimmen die „Dosenstreifen" der Soucek-Bilder ineinander,
wenn man sie aus der Entfernung betrachtet. Wie bei Monet wirkt das Meer
lebendig in seiner Weite und Tiefe. Den Augen des Betrachters wird keine
Ruhe gegönnt. Auf jedem Quadratzentimeter gibt es etwas zu entdecken:
Aufschriften etwa über das Reinheitsgebot des Bieres, die in ihrem
neuen Kontext kurios wirken.
Höhepunkt seiner Kunst dürfte die im Sommer fertig gestellte,
150 Zentimeter hohe, dreidimensionale Nachbildung des Freiburger Münsters
sein. Anders als bei seinen Bildern verwendete er für die Skulptur
nicht nur die Dosenschnipsel, sondern vor allem die Laschen, mit denen
die Büchsen geöffnet werden. Vier Wochen lang arbeitete Soucek
bei einer Recyclingfirma, um die vielen kleinen silbernen Metallteile zu
sammeln. Über 20000 Laschen, 300 Dosen und farbige Glasscherben stecken
in dem Kunstwerk. Obendrein bringt das eingearbeitete Phosphor das Gebäude
im Dunkeln zum Leuchten. Allein für dieses Arbeit verbrauchte der
Künstler 60 Tuben Klebstoff. Verständlich deshalb auch, dass
die Klebstoff-Firma ihn und seine Werke für eine Internet-Galerie
anwerben möchte. Auch das „Mini-Münster" wurde schon für
ähnliche Zwecke eingesetzt und soll laut Soucek in diesem Jahr wegen
seiner Einzigartigkeit ins Guinnessbuch der Rekorde aufgenommen werden.
Zudem hatte der Künstler im Sommer die Aktion „Kleines Münster
für das große Münster" gestartet. Die dabei gesammelten
Spenden gingen an den Freiburger Münsterbauverein zur Unterstützung
des Kirchenhauses. Soucek will vor allem mit dem Abbild des Freiburger
Wahrzeichens das Bewusstsein für die Umwelt wachrütteln. „Das
Kunstwerk ist einzigartig, und es soll ein Zeichen setzen gegen die Verschmutzung
der Umwelt. „ Dafür ließ er seine Dosenskulptur und das Freiburger
Münster mit dem Aufdruck„5 vor -12" auf Postkarten drucken. Weitere
Aktionen sind in Planung, bei denen er für soziale Zwecke Spenden
sammeln will. Rund 30 000 Dosen hat Soucek inzwischen in Kunst verwandelt;
Tausende hat er auf Vorrat gesammelt. Denn wenn demnächst das umstrittene
Pflichtpfand-Gesetz für Getränkedosen in Kraft treten sollte,
könnte Schluss sein mit den weggeworfenen Büchsen."Und dann werden
meine Dosen historisch sein", freut sich Soucek, der selbst zu den Befürwortern
des Dosenpfandes zählt
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Andrea Steinhart